Es wird von niemandem
bezweifelt, dass es oberste Priorität einer jeden Bildungspolitik sein muss,
Kinder und Jugendliche nach ihren Möglichkeiten zu fördern. Schließlich sind
Bildung und Teilhabemöglichkeit am gesellschaftlichen Leben engstens
miteinander verknüpft.
Vieles ist auf dem Feld der
Bildungspolitik in den vergangenen sechs Jahren aber falsch gelaufen. Hannelore
Krafts markiger Spruch, kein Kind zurück zu lassen, hört sich im ersten Moment
richtig an, auch die Forderung an die Schulen, jedes Kind da abzuholen, wo es
steht und individuell zu fördern. Leider klafft zwischen Anspruch und
Umsetzbarkeit ein tiefer Graben. Und der Weg, den die grüne Schulministerin eingeschlagen
hat, ist erkennbar der Falsche.
Individuelle Förderung kann,
wenn überhaupt, nur gelingen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und das war in
der Vergangenheit häufig nicht der Fall. Und nicht zuletzt hat Förderbarkeit
natürliche Grenzen. Wer das Prinzip der „Auslese“ für unsozial hält, wird durch
eine ideologische Brille an der Erkenntnis der Realität gehindert.
Aus meiner Sicht, der Sicht
einer betroffenen Grundschullehrerin, wurden im Wesentlichen folgende gravierende
Fehler gemacht:
·
Absenkung
von Leistungsanforderungen
Es war ein schleichender
Prozess, und wer die Vergleichsmöglichkeiten nicht hat, hält die Behauptung
womöglich für überzogen. Aber ich kann meine Behauptung mit Beobachtungen und
Erfahrungen aus meinen 40 Dienstjahren als Grundschullehrerin untermauern. Als Beispiel möchte ich das Herabsenken der
Leistungskriterien in verschiedenen Fachbereichen anführen, wo schon die
„Anstrengungsbereitschaft“ ein ausschlaggebendes Kriterium für eine Note ist.
·
Bevorzugen
einer bestimmten Schulform
Es ist kein Geheimnis, dass
das Lieblingskind der grünen Schulministerin eine Schule ist, wo länger
gemeinsam gelernt wird. Ich musste als Ratsmitglied bzw. Mitglied des
Schulausschusses der Gemeinde miterleben, wie eine bestens funktionierende
Realschule aufgelöst wurde, weil eine Gesamtschule eingerichtet werden sollte. Es
ist unrealistisch zu glauben, beste Bildung sei an einer Schule für alle erreichbar. Eltern müssen Alternativen haben.
·
Überstürzte
Einführung der Inklusion bei gleichzeitiger Ausdünnung der
Förderschullandschaft
Kinder mit besonderem
Förderbedarf sind die Schwächsten im System. Um sie in der Regelschule
tatsächlich adäquat individuell fördern zu können, fehlen nach wie vor vielfach
die personellen, räumlichen und technischen Voraussetzungen. Trotzdem werden Förderschulen, die nach
Meinung von Insidern für viele Kinder immer noch der bessere Förderort sind,
geschlossen bzw. zusammengelegt.
·
Einengung
von Schulfreiheit
Erlasse und andere Regelungen
müssen sein. Aber in den letzten Jahren gab es sie in einer solchen Fülle, dass
sich Schulleiter und Kollegien immer stärker in ihrer pädagogischen und
organisatorischen Freiheit beschränkt und gegängelt fühlen müssen. Immer mehr
Lehrer beklagen den unverhältnismäßig hohen bürokratischen Aufwand, unter dem
das Kerngeschäft, nämlich das Unterrichten, leidet. Das alles macht
nachweislich krank. Und bei jungen Leuten ist der Lehrerberuf längst nicht mehr
attraktiv.
·
Fehler in
der Personalpolitik
Die Personaldecke ist dünn,
der Lehrermarkt leergefegt. Ein Umsteuern ist so schnell nicht möglich, deshalb
setzt Frau Löhrmann auf Pensionäre, die freiwillig aus ihrem Ruhestand in den
Schuldienst zurückkehren. Das alleine ist schon eine Zumutung und ein
indirektes Eingeständnis von Fehlern. Dem Land NRW wäre es sehr zu wünschen,
dass sich am 14.05.2017 möglichst viele Leute für ein Ende der bildungspolitischen
Misere entscheiden. Es ist höchste Zeit für eine Korrektur der Weichenstellung
und Abkehr von jeglichen Ideologie-Phantasien!
Ingrid Heim
Grundschullehrerin von 1973 - 2014
Fraktionsvorsitzende der Grün-Liberalen Fraktion im
Gemeinderat der Gemeinde Gangelt und schulpolitische Sprecherin der
FDP-Fraktion im Kreistag des Kreises Heinsberg
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen